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Von Kunden mit Eigenheim und laufendem Immobilienkredit werde ich oft gefragt: „Was ist rentabler: Geld an der Börse anlegen oder den Kredit sondertilgen?“ Eine wichtige Frage nicht nur für Minimalisten, die an der eigenen finanziellen Freiheit arbeiten.
Manche Familien sind in der Lage, trotz Tilgung eines Immobilienkredits noch etwas Geld überzuhaben. Vielleicht ist das auch bei dir oder deinem Partner so, weil ihr eine Erbschaft oder eine Gehaltserhöhung erhalten habt. Als Eigenhmseimbesitzer scheint dir dann eine Investition in Aktien verlockend, statt der Sondertilgung des Kredits. Die Entwicklung an der Börse über die letzten Jahre war überaus positiv. Schön, wenn man daran teilhaben könnte. Doch ist es wirklich ratsam, an der Börse zu investieren trotz des Kredites, der noch zurückbezahlt werden muss? Was ist dabei zu beachten?
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Immobilienkredit von Konsumkredit unterscheiden
Zuerst ist es wichtig, Konsumkredite und Immobilienkredite zu unterscheiden. Konsumkredite bei Kreditkarten oder KFZ-Finanzierungen haben hohe Zinsen. Mitunter sind sie zweistellig. Die durchschnittliche Rendite eines Investments in Aktien ist für gewöhnlich geringer, noch dazu bei einem hohen Risiko.
Vielleicht kannst du es ja so sehen: Die gesparten Zinsen sind dein Ertrag. Und der ist sicherer als das Auf und Ab bei der Börse. Sobald du also etwas Geld über hast, ist ein sinnvoller erster Schritt, diese Geldfresser zu tilgen.
Was aber ist bei einem Immobilienkredit, den dir die Bank für gewöhnlich unter 2 % Sollzinsen pro Jahr gewährt? Eine durchschnittliche reale Rendite von 5 % lässt sich mit einem breit diversifizierten ETF an der Börse über einen ausreichend langen Zeitraum von 15 Jahren erwirtschaften. Das scheint vielen verlockend. Manche möchten lieber den unerwarteten Geldsegen in einen ETF investieren und so mehr Gewinn erwirtschaften als über die schnöde Tilgung eines Immobilienkredits.
Geld anlegen oder Immobilienkredit sondertilgen in der Praxis
Um das Ergebnis zu verdeutlichen, leihe ich mir die Charaktere der berühmten Tragödie Romeo und Julia aus. Shakespeare mag mir verzeihen für die profane Nutzung.
Romeo Montagues kauft ein Eigenheim, Julia Capulet hingegen bleibt Mieterin und investiert ihr Eigenkapital und monatlich einen gewissen Betrag in den Index MSCI World. Wird es ein Happy End geben, falls sich die beiden vereinen oder eher eine Tragödie? Jeder kennt das Ende der weltberühmten Geschichte, doch vielleicht kann diese Romanze überraschen.
Szenario „Romeo“: Das Eigenheim ohne zusätzliche Geldanlage
Eigenheim Kaufpreis inklusive Nebenkosten (Bruttokaufpreis): 300.000 Euro
Eigenkapital: 50.000 Euro
jährlicher Sollzins des Kredits: 2 % p.a.
anfängliche Tilgungsrate: 5,77 % p.a.
✔️ ergibt monatliche Rückzahlung bis zur Volltilgung in 15 Jahren: 1.609 Euro.
Nettokaufpreis: 270.000 Euro
jährliche reale Rendite auf den Nettokaufpreis: 1 % p.a.
Instandhaltungskosten: 2 % auf den Gebäudewert pro Jahr (Gebäudewert ist 85 % des Nettokaufpreises)
✔️ ergibt Vermögen „Romeo“ nach 15 Jahren: 244.611 Euro
Das ist das Ergebnis von 313.461 Hauspreis nach 15 Jahren abzüglich 68.850 Euro Instandhaltungskosten.
Die Berechnung habe ich mit diesem einfachen Rechner für Annuitätendarlehen erstellt.
Szenario „Julia“: Die Mieterin mit ETF-Sparplan
Eigenkapital von 50.000 Euro werden angelegt in den ETF
Miete: 750 netto
Reale Rendite MSCI World pro Jahr: 5 %
Monatliche Ersparnis im Vergleich zum Szenario „Romeo“: 858 Euro. Das ist auch der Sparbetrag in den ETF.
✔️ Vermögen „Julia“ nach 15 Jahren: rund 300.000 Euro (Steuern schon abgezogen)
Der Vorteil für Julia als Mieterin lässt sich durch eine relativ niedrige Bruttomietrendite von 3 % erklären. Mit den aktuellen Hauspreisen ist das realistisch. In manchen deutschen Großstädten liegt die Bruttomietrendite sogar darunter. Hier sind fast immer Mieter im Vorteil, wenn sie diszipliniert in einen ETF investieren.
Szenario „Happy End“ (Kredit und ETF-Investment gleichzeitig)
Statt wie bei dem „Szenario Romeo“ das Eigenheim über 15 Jahre zu tilgen, wird beim „Happy End“ die Tilgungsdauer auf 30 Jahre verlängert. Die monatliche Rückzahlung reduziert sich auf ca. 924 Euro bis zur Volltilgung. Es bleiben also monatlich 685 Euro, die in einen ETF zu 5 % Rendite pro Jahr investiert werden.
✔️ Vermögen „Happy End“ nach 15 Jahren: 268.993 Euro (Steuern schon abgezogen).
Das sind 10 % mehr Vermögen als im Szenario „Romeo“ (abbezahltes Eigenheim).
Wer jetzt denkt: „Romeo und Julia erleben ja tatsächlich ein Happy End, das ist die perfekte Hochzeit aus Eigenheim und ETF-Anlage“, der darf die 143.385 Euro Restschuld nicht vergessen, die noch zu tilgen sind vom Immobilienkredit.
Was wäre, wenn die Zinsbindung nach 15 Jahren endet und der Zins nicht mehr bei 2 %, sondern bei 4 % liegt?
Dann erhöht sich die monatliche Rückzahlung von 924 Euro auf 1.060 Euro pro Monat nach 15 Jahren. So sehen die drei Szenarien in 30 Jahren aus:
Szenario „Romeo“: 615.103 Euro (Nach Volltilgung seines Eigenheims in 15 Jahren investiert er weitere 15 Jahre 1.608 Euro in einen ETF mit 5 % Rendite pro Jahr. Romeo muss weiterhin Instandhaltungskosten bezahlen. Der Hauspreis entwickelt sich weiter mit 1 % pro Jahr.)
Szenario „Julia“: 728.927 Euro (Steuern schon abgezogen)
Szenario „Happy End“: 656.206 Euro (Steuern schon abgezogen)
Kreditzinsen sind innerhalb der Zinsbindung ein sicherer Ertrag. Nach der Zinsbindung sind sie eine Variable, die in die falsche Richtung weisen kann. Würdest du dieses Risiko eingehen für 6 % mehr Endvermögen in 30 Jahren?
Natürlich sind die Annahmen stark vereinfacht. Weder eine Inflation bei den Instandhaltungskosten, noch jährliche Mieterhöhungen habe ich hier berücksichtigt. Doch hoffentlich kann es auch so zur Anschauung dienen.
Wann Investieren statt Sondertilgen denkbar ist
Romeo (Eigenheim) und Julia (ETF-Sparplan) vereint können zu einem Happy End führen, es ist jedoch riskant. So ein Risiko sollten nur Familien eingehen, bei denen beide Elternteile über ein überdurchschnittlich hohes Einkommen verfügen und den Kredit schon mit einem hohen Eigenkapitalanteil aufgenommen haben. Denn dann könnte der Kredit notfalls innerhalb der Zinsbindung zurückbezahlt werden, sollte der Kreditzins massiv steigen. Des Weiteren ist es ratsam, wenn der Immobilienkredit deutlich unter 2 % pro Jahr kostet. Ansonsten wäre der Gewinn zu klein für das Risiko.
Manche wenden ein, dass ein Kreditzins von 4 % in 15 Jahren unrealistisch ist. Vor weniger als 15 Jahren war er aber noch so hoch. Keiner weiß, wie sich die Zinsen entwickeln werden.
Nicht zu vergessen ist: Was passiert, wenn die Börsenkurse über Jahre in den Keller gehen? Da braucht eine Familie starke Nerven.
Fazit
Bei einigen Ausnahmen ist es überlegenswert, neben der Tilgung des Immobilienkredites für das Eigenheim noch an der Börse zu investieren. Dafür brauchst du viele Sicherheiten wie zwei hohe, sichere Gehälter und einen Kredit, den du notfalls innerhalb der Zinsbindung tilgst. Dann ist es auch keine Zitterpartie für die ganze Familie. Generell liegt nahe: Mit einem getilgten Kredit lässt sich besser schlafen.
Was ist deine Meinung dazu? Würdest du auch neben dem Immobilienkredit noch in ETFs investieren?
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